Dialog zum Tag des Zweinutzungshuhns macht deutlich: Das Zweinutzungshuhn braucht verbindliche Commitments entlang der Wertschöpfungskette.

Anlässlich des Tages des Zweinutzungshuhns, der am 22. Januar 2024 bereits zum dritten Mal stattfand, diskutierte ein prominent besetztes Podium* in der Niedersächsischen Landesvertretung in Berlin über die nächsten Schritte auf dem Weg zu dem Öko-Huhn mit Zukunft. Der NEULAND e.V. und die Ökologische Tierzucht gGmbH (ÖTZ) hatten wichtige Vertreter:innen aus Landwirtschaft, Wissenschaft, Tierschutz, Politik und Lebensmittelhandel zum Dialog über die Frage eingeladen, wie das Zweinutzungshuhn einen Beitrag zur Tierwohldebatte und Ernährungswende leisten kann und was es dazu aus Politik und Wirtschaft braucht.

Es herrschte Einigkeit darüber, dass weitere Aufklärung insbesondere in Richtung Verbraucher:innen nötig ist, um das Zweinutzungshuhn als zukunftsweisendste Form der Geflügelhaltung bekannter zu machen. Dem Handel und seiner Kommunikationshoheit bei Lebensmitteln wurde dabei eine besonders verantwortungsvolle Rolle gegenüber der Gesellschaft zugeschrieben.

Nach einem engagierten Grußwort von Dr. Jörg Baumgarte, Landwirtschaftsministerium Niedersachsen, erläuterte Prof. Dr. Bernhard Hörning, Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde, den Ansatz beim Zweinutzungshuhn und stellte heraus, dass das Zweinutzungshuhn im Vergleich zu den Hochleistungstieren tendenziell gesünder und robuster sei und es gut mit regionalem Futter und Lebensmittelresten zurechtkomme. Außerdem lege es weniger Eier und setze weniger Fleisch an, was zu weniger leistungsbedingten Krankheiten führe. Da Henne und Hahn genutzt werden, sei ein Aussortieren der
männlichen Tiere nicht mehr notwendig. All das komme dem Wunsch vieler Verbraucher:innen nach tierischen Produkten, die mit einem Höchstmaß an Tierwohl und Ressourcenschonung erzeugt werden, nach.

Es gehe um mehr als nur ums Ei, betonte Inga Günther, Geschäftsführerin der ÖTZ: „Solange Ei und Fleisch von der Zucht über die Vermarktung bis zu den Verbraucher:innnen nicht als Einheit begriffen werden, solange wird das Zweinutzungshuhn nicht zum Standard in der Bio-Erzeugung werden.“

Um das Commitment des Naturkostfachhandels am Beispiel der Kampagne „1 Cent für die Zucht“auszuweiten, sei nun die ganze Wertschöpfungskette gefragt. Über die beiden Anbauverbände Bioland und Demeter sowie vom Naturkostfachhandel seien bereits über 1,6 Millionen Euro in den Aufbau der Strukturen geflossen. Jetzt gehe es darum, den Lebensmitteleinzel handel in die Verantwortung zu nehmen und ein verbindliches Commitment am Beispiel der Naturkostpionier:innen einzufordern.

Für die Ausweitung von Zweinutzungshühnern in der Produktion von Ei und Fleisch sind aus Sicht der Landwirt:innen Markteinführungsprogramme und Informationskampagnen nötig, um den Mehrwert der Produkte abseits der Direktvermarktung auch im Ladenregal des Lebensmitteleinzelhandels kommunizieren zu können. Christine Bremer, Betriebsleiterin von Bio-Hof „Heide-Geflügel“, machte am Beispiel der Fleischvermarktung deutlich, wo die Grenzen ihres Engagements liegen: „Solange ich die Hähne nicht genauso gut wie die Eier verkauft bekomme, muss ich sie über den Anbau unserer Kartoffeln quersubventionieren und jährlich eine weitere Tiefkühltruhe anschaffen.”

Dr. Matthias Schmutz von der Lohmann Breeders GmbH bestätigte diese Aussage mit seinen Erfahrungen aus der Schweiz, wo sich der Lebensmittelhändler Coop in der Vermarktung von Produkten der Linie Lohmann Dual engagiere: „Sobald es ein eindeutiges Commitment von Seiten des Handels gibt, ist die Abnahme der Produkte gesichert.”

Der deutsche Lebensmittelhandel nimmt sich nur zögerlich dieses komplexen Themas an und ist für ein verbindliches Commitment zur Förderung noch nicht bereit. „Wir pilotieren in einem ersten regionalen Projekt das Zweinutzungshuhn”, wie Katharina Bornhold von der Rewe Group bestätigte. Isabell Kuhl von Alnatura berichtete, dass sinnvolle Maßnahmen, wie die Förderung von Zweinutzungshühnern, bei Alnatura ein zentrales Anliegen der Qualitätsentwicklung seien.

Zwar seien laut Kathrin Jäckel, Geschäftsführerin des Bundesverband Naturkost und Naturwaren e.V. (BNN), in den letzten Jahren 1 Cent pro gehandeltem frisch Ei an die ÖTZ geflossen, damit sich das Zweinutzungshuhn langfristig etablieren könne, zudem müssten Landwirt:innen aber auch Anreize, wie beispielsweise die FAKT-Förderung des Landes Baden-Württemberg oder andere Tierwohlprämien, geboten werden.

Kontakt: Lisa Minkmar | presse@oekotierzucht.de | www.oekotierzucht.de/presse/
Weitere Presseinfos sowie Bildmaterial: www.oekotierzucht.de/presse-tagdeszweinutzungshuhns/
*Das Programm inkl. Podiumsbesetzung: www.oekotierzucht.de/tagdeszweinutzungshuhns/

Hintergrund
Der Tag des Zweinutzungshuhns, der erstmalig am 22. Januar 2022 stattfand, wurde vom Projekt „ei care“ – einer Initiative von Terra Naturkost und der Marktgesellschaft der Naturland Bauern AG – ins Leben gerufen. Mitinitiatoren sind der Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter und die Ökologische Tierzucht gGmbH. Er stellt traditionelle Hühnerrassen und moderne ökologische Züchtungen in den Mittelpunkt und möchte eine höhere Wertschätzung für diese Tiere erreichen.

Der Dialog „Lasst uns über Hühner reden“ anlässlich des Tages des Zweinutzungshuhnes wurde im Rahmen des Bio-Wertschöpfungskettenprojektes „WerterHahn“ initiiert und organisiert. Das dreijährige Projekt hat den Aufbau von Wertschöpfungsketten entlang der Hahnenfleischvermarktung zur Aufgabe und wird vom BMEL gefördert. Projektpartner:innen sind die ÖTZ, die Brudertier Initiative Deutschland e.V. und der Bauckhof Klein Süstedt. www.oekotierzucht.de/vermarktung/hahnenfleisch/

Die Ökologische Tierzucht gGmbH (ÖTZ) ist der im März 2015 gegründete gemeinnützige Träger für eine
eigenständige, ökologische Tierzucht. Gesellschafter sind die Bio-Verbände Bioland und Demeter. Das
wichtigste Ziel der ÖTZ ist es, die Züchtung von Zweinutzungstieren voranzubringen, die für den Ökolandbau
angepasst sind sowie die Betriebe bei der Haltung und Vermarktung der Zweinutzungstiere und ihrer Produkte zu unterstützen. Die ÖTZ sieht sich als Alternative zu Konzernstrukturen – Züchtung wird als Kooperationsprojekt mit Bäuerinnen und Bauern betrieben. www.oekotierzucht.de und www.das-oekohuhn.de

Der NEULAND e.V. ist ein landwirtschaftlicher Fachverband, der sich seit über 30 Jahren für eine besonderstiergerechte Landwirtschaft einsetzt. Er gilt als Vorreiter einer Tierwohlkennzeichnung und gibt ein Markenzeichen heraus, worüber die besonders tiergerechte Haltung erkennbar ist. www.neuland-fleisch.de

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